Vom Protest zum Widerstand: Konsequent gegen Dresdens Naziaufmarsch! vom 10.02.2012

LSPR

Mittlerweile ist der 13./ 14. Februar in Dresden ein Datum geworden, das symbolisch für den Erfolg antifaschistischer Proteste steht. In den letzten Jahren gelang es vielen AntifaschistInnen unterschiedlicher Spektren, ein bis dahin einzigartiges Zeichen zu setzen. Aber dieses Datum steht auch für einen absurden Gipfelpunkt der Repression. Durch den Erfolg der Aktionen des breiten antifaschistischen Bündnisses im Gegensatz zu „Menschenketten“ und bürgerlichen Gedenkaktionen, die angesichts eines Naziaufmarsches dann doch eher bizarr bis surreal wirken, wurden die Image- und Ansehensrettungsaktionen der CDU und ihres Spektrums von DemokratiemissversteherInnen der Lächerlichkeit preis gegeben. Durchgesetzt haben sich jene, die konsequent, d. h. mit allen nötigen Mitteln dafür gekämpft haben, Europas größten Faschistenaufzug in den Mülleimer der Geschichte zu befördern – stark durch ihr Zusammenwirken, die vernünftige Einheit vieler verschiedener Aktionsformen. Aber diese Neuheit hat ein besonderes „Interesse“ des Staates und seiner diversen Organe auf den Plan gerufen.

Denn während mache SpießbürgerInnen und jene, für die Demokratie bei der Abgabe des Wahlzettels aufhört, noch darüber wundern, dass in ihrer Mitte, in ihrem zivilgesellschaftlichen Zuständigkeitsbereich wirklich die größte Faschistenversammlung unserer Kontinents stattgefunden haben soll, ist die „Politik“ längst weiter: Der Staat beginnt, jegliche NazigegnerInnen massiv mit Repression zu überziehen, unermüdlich einzuschüchtern und das bisher größte und breiteste antifaschistische Bündnis von Antifagruppen bis zu Gewerkschaften und bürgerlichen Parteien zur „kriminellen Vereinigung“ zu erklären. Ist dieses Handeln in irgendeiner Weise logisch? Natürlich fürchtet ein Staat, dessen Wirtschaft Menschen ausbeutet, dessen Politik seine BürgerInnen auf Kriege trimmt, dessen Sozial- und Asylpolitik Menschen massiv diskriminiert und entrechtet, Menschen, die sich jenseits seiner parlamentarischen Strukturen selbstbestimmt organisieren. Umso mehr, je entschlossener sie dies tun. Und die AntifaschistInnen sind entschlossen und werden nicht wurzeln, wo sie stehen! An der Repression macht der Staat zweierlei deutlich: seine Angst vor einem selbstbestimmten, zielgerichteten Schulterschluss vieler Menschen einerseits und seine Oberflächlichkeit in antifaschistischen Belangen andererseits. Wo ist die Lehre der politischen Repräsentanten der BRD aus dem Nationalsozialismus? Die AntifaschistInnen stehen in der Tradition des Schwures von Buchenwald und der Weg, der durch diese Tradition vorgezeichnet ist, macht keinen Bogen um die Stöcke, die ihm quergeworfen werden.

Und es ist der Erfolg dieser entschlossenen Menschen, dass dieses Datum im Februar mittlerweile so eindeutig mit einem Ereignis, einem Problem und einer Lösung dieses Problemes verbunden wird. Und sie waren schon lange vor dem öffentlichen Interesse am Nazitreiben in Dresden: als noch vor wenigen Jahren nur die Antifagruppen zu einem wahrnehmbaren Protest entschlossen waren, als der Naziaufmarsch die Stadt noch dominierte, mit RekordteilnehmerInnenzahlen von bis an die 7000. Sie stehen schon seit Jahren unter dem Druck der Repression, mussten Vergleiche mit Nazis über sich ergehen lassen und leisteten doch die ganze Zeit qualitative Recherche über Nazis und deren Netzwerke. All diesen GenossInnen und MitstreiterInnen, insbesondere aus den Antifagruppen, gilt unsere Solidarität und unser Dank! Und auf Grundlage ihrer Vorarbeit wurde es 2009 möglich, ein Bündnis aufzustellen, in dem sich Antifaschistische Aktion und bürgerliches Spektrum annäherten und so den Grundstein legten für den größten Erfolg gegen Nazis in diesem Land seit 1945.


Bemerkenswert ist und bleibt, dass allen Spaltungsversuchen zum Trotz die antifaschistische Einheit besteht. Es fand keine Spaltung in gute „friedliche“ und böse „gewalttätige“ Demonstranten statt, die von Seiten der Verwaltungsorgane und der Medien proklamiert wurde und die Erfolge der letzten zwei Jahre unmöglich gemacht hätte. Es fand auch keine Spaltung in sogenannte „Linksextremisten“ und „Demokraten“ statt: Ganz praktisch wurde der inhaltlich lächerlichen und politisch brandgefährlichen „Extremismusklausel“ von Frau Schröder und Co. eine deutliche Absage erteilt. Diese soll ohnehin nur offiziell wieder einführen, was in Deutschland schon in den 1920er und 30er Jahren für eine Katastrophe gesorgt hat: Die bevorzugte Verfolgung von Linken vor den Rechten und die inhaltliche Gleichsetzung beider. Es zeigt sich abermals, dass der kapitalistische Staat genau weiß, wer seiner Unrechtsordnung am ehesten gefährlich werden kann. Und lieber bekämpft er antifaschistische Menschen, anstatt ernsthaft gegen Faschisten vorzugehen.

In Dresden wurden die staatlichen Versuche, die Kontrolle über antifaschistisches Engagement zu behalten, peinlichst vorgeführt. Erinnert sei hier an die Einführung der Anwendung von Pepper-Ball-Gewehren in Sachsen kurz vor den Protesten gegen den Naziaufmarsch vergangenen Februar 2011; an die Schikanen der Polizei gegen die Anreise der Busse der NazigegnerInnen, die dann scharenweise über die Autobahn nach Dresden laufen mussten; an die Provokationen der Polizei gegenüber friedlichen SitzblockadeteilnehmerInnen; an den Einsatz von Wasserwerfern gegen Menschen bei eisigen Temperaturen; an das gewaltsame Eindringen von Polizeikräften in linke und alternative Projekträumlichkeiten, wo Menschen dann willkürlich über stunden gefesselt wurden, sich völlig entkleiden mussten – während anderenorts in Dresden Großgruppen von Nazis unter Beobachtung der Polizei ungestört ein anderes alternatives Haus angreifen konnten. Wo ist da die Verhältnismäßigkeit? Über dies hinaus, blamierte sich die Dresdener Polizei mit einer umfassenden und rechtswidrigen Ausspähung von Millionen von privaten Handydaten. Und immer noch dauert das Verfahren gegen Lothar König an, dem „aufwieglerischer Landfriedensbruch“ vorgeworfen wird. Hier sorgte die Dresdener Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft zuletzt für einen Skandal, als sie offenbar illegal in Jena die Räumlichkeiten der Jungen Gemeinde durchsuchten und sich danach in peinlichen Erklärungs- und Legitimationsversuchen verloren. Aber all das scheint in Sachsen niemanden unter den Zuständigen zu beeindrucken und die „Sächsische Demokratie“ wird munter weiter zelebriert. Die Repression verschärft sich sogar noch, indem nun jeder und jede ins Visier der Justiz genommen werden, der oder die in Dresden auch nur ein Megaphon oder eine Fahne eines Demonstrationszuges in der Hand hatte. Nun kommt es umso mehr auf unsere Solidarität an! Die Linksjugend ['solid] Thüringen erklärt sich solidarisch mit allen, die von dieser Repression betroffen sind und mit allen, die potentiell ins Visier dieser Repression geraten, weil sie vorhaben, auch in diesem Jahr 2012 den Naziaufmarsch zu blockieren oder anderweitig zu verhindern. Wir möchten alle Menschen aufrufen, sich den entschlossenen Aktionen anzuschließen und gemeinsam deutlich zu machen, dass einerseits Faschisten keinen Erfolg und keinen Gewinn zu erwarten haben und andererseits die staatlichen Einschüchterungsversuche zwecklos sind.


Aber Dresden soll nicht nur Bedeutung haben für die physikalische Verhinderung eines Naziaufmarsches. Aus den Aktionen muss mehr werden: Wenn sehr bald dieser größte Faschistenaufmarsch Geschichte sein wird, dann bleibt immer noch eine Mehrheit beispielsweise von ThüringerInnen, die homophobe, xenophobe, rassistische Einstellungen teilen. So wichtig und richtig der Erfolg in Dresden ist und so sehr das Augenmerk jetzt auf die Antirepressionsarbeit gelegt werden muss, darf doch nicht vergessen werden, dass es darauf ankommt, die rechten Umtriebe generell und nicht nur dort, wo sich sich am offensichtlichsten in Form einer Nazidemonstration manifestieren, zu bekämpfen. Was Esther Bejarano und Peter Gingold 1997 auf dem 50. Jahrestag der Gründung der VVN-BdA an die Jugend richteten, sollte für alle Menschen gelten: nämlich „[...] höllisch wachsam

gegen alles, was wieder zu einer ähnlich Barbarei führen könnte; wo Menschenrechte verletzt werden [...]“ zu sein. Es gilt über Dresden hinaus faschistoide Tendenzen zu erkennen, aufzuzeigen und zu bekämpfen.


Der Einsatz der vielen, verschiedenen AntifaschistInnen gegen den Naziaufmarsch hat große Entschlossenheit bewiesen. Nun muss er auch zum Kampf gegen Repression und gegen rechtes Gedankengut im Allgemeinen werden! Dafür lasst uns gemeinsam im Februar ein noch kraftvolleres Zeichen setzen! Lasst uns dieses Jahr dem Nazidreck die endgültige Klatsche verpassen!

In diesem Sinne werden sich auch GenossInnen der Linksjugend ['solid] Thüringen dieses Jahr wieder an den Protest- und Widerstandsaktionen gegen den Naziaufmarsch in Dresden beteiligen.

Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!

Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“